Krankheitserreger auf Lidl-Fleisch nachgewiesen: 71 % der Proben mit antibiotikaresistenten Keimen belastet
Im Herbst letzten Jahres machte der Discounter-Riese Schlagzeilen, als die Tierschutzorganisation ‚Albert Schweitzer Stiftung‘ Undercover-Aufnahmen aus dem Maststall eines Lidl-Lieferanten in Niedersachsen veröffentlicht hatte, welches die Folgen der Qualzucht und schreckliche Haltungsbedingungen offenlegte.
Wenige Zeit später folgten Aufnahmen eines spanischen Lieferanten der Supermarktkette, die schwere Tierschutzverstöße zeigten. Nun wurde in einer von der Albert Schweitzer Stiftung in Auftrag gegebene Untersuchung von Hühnerfleisch der Lidl-Eigenmarke „Metzgerfrisch“ 71 % der Proben multiresistente Keime nachgewiesen.
Untersucht wurden insgesamt 51 Proben von Hühnerfleischprodukten (alle Haltungsform-Stufe 2 „Stallhaltung Plus“). Diese wurden im Januar und Februar 2023 in acht zufällig ausgewählten Lidl-Märkten in ganz Deutschland genommen. Nur sechs Proben waren unauffällig. In 71 % der Proben wurde das Enzym ESBL nachgewiesen, das die auf dem Fleisch gefundenen Bakterien immun gegen mehrere gängige Antibiotika macht. Bei 75% der resistenten Bakterien handelt es sich um den Fäkalkeim Escherichia coli, der diverse Erkrankungen auslösen kann, zum Beispiel Harnwegs- oder Magen-Darm-Infekte bis hin zu Sepsis. Außerdem fand das unabhängige Labor Krankheitserreger wie Enterokokken (25 % der Proben), Campylobacter (18 % der Proben) und Salmonellen (1 Probe).
Laut der Albert Schweitzer Stiftung sei die hohe Keimbelastung mit auf die Bedingungen in Lidls Hühnermast zurückzuführen. Sie fordern vom Lidl-Konzern, dass dieser der Europäischen Masthuhn-Initiative beitritt und seine Tierschutzstandards für die Hühnermast anhebt. Mahi Klosterhalfen, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung, sagte dazu: „Wie man sieht, bedeuten die Bedingungen in den Ställen der Lidl-Lieferanten nicht nur viel Elend für die Tiere, sondern sind auch gefährlich für uns Menschen. Wir erwarten, dass Lidl das Übel an der Wurzel packt, sich endlich daran macht, die Tierhaltung zu verbessern und der Europäischen Masthuhn-Initiative beitritt. So kann Lidl sowohl Tierleid als auch Gefahren für uns Menschen reduzieren.“
Auf Anfrage von RTL News heißt es in einem Statement von Lidl: „Alle Artikel unterliegen umfangreichen Qualitätskontrollen entlang der gesamten Lieferkette. Mit unseren eigens definierten Lidl-internen Grenzwerten sind wir dabei meist noch strenger als die gesetzlichen Vorgaben.“ Eine Einschätzung der Ergebnisse der Albert Schweitzer Stiftung will Lidl nicht geben. Laut RTL News plane Lidl „langfristig“ auf die Haltungsstufen drei und vier für Frischgeflügel umzusteigen, um die Haltungsbedingungen für Tiere zu verbessern, betont aber: „Bei all unseren Bemühungen für Verbesserungen möchten wir jedoch unsere Versprechen einhalten und setzen uns aus grundsätzlicher Überzeugung daher nur Ziele, die realistisch erreichbar sind.“
Dr. Rupert Ebner, Tierarzt und ehemaliger Vizepräsident der Bayerischen Landestierärztekammer, kommentierte die Ergebnisse der Untersuchung mit deutlichen Worten: „Die Entscheidungsträger:innen im Lebensmitteleinzelhandel haben es in der Hand: Das Wohl der Tiere muss in den Mittelpunkt der Tierhaltung gestellt werden. Die Verwendung von Begriffen wie ‚Stallhaltung Plus‘ oder ‚Tierwohl‘ verharmlosen die bestehenden Verhältnisse in der realen Tierhaltung. Wir brauchen völlig neue Ansätze in Zucht, Haltung und Fütterung. In der Hühnermast sind Einheiten von 40.000 Tieren der Standard. Diese Situation ist katastrophal. Das, was wir unter Tierschutz in der Landwirtschaft verstehen, muss sich an den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren.“