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22. Februar, 2023 / Katharina Frauenknecht

VeganNews Interview mit Dr. Melanie Joy

„Wenn wir eine bessere Welt für alle schaffen wollen, müssen wir die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, ändern.“

Dr. Melanie Joy ist eine US-amerikanische Psychologin, die sich auf Beziehungen, Kommunikation und sozialen Wandel spezialisiert hat. Sie ist preisgekrönte Autorin von sieben Büchern, darunter auch internationale Bestseller wie »Beyond Beliefs«. Dr. Joy hält weltweit Vorträge, ihre Bücher wurden in über 20 Sprachen übersetzt und sie erlangte durch ihre Arbeit zum Thema des Karnismus auch außerhalb der Tierrechtsbewegung große Bekanntheit. Dr. Joy sprach mit der VeganNews-Redaktion im Herbst 2022 anlässlich der deutschen Ausgabe der 10-Jahres-Jubiläumsedition ihres bisher bekanntesten Buches »Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen« über ihre bisherige berufliche Laufbahn, ihre Bücher, über ihr Fachgebiet Karnismus und darüber, was die vegane Bewegung tun kann, um sich in Zukunft noch effektiver für einen positiven Wandel in unserer Gesellschaft einzusetzen.

VeganNews: Ich denke, die allermeisten vegan lebenden Menschen werden Sie bereits kennen und mit Ihrer Arbeit vertraut sein, aber für diejenigen, die das noch nicht tun: Wären Sie so nett, sich und Ihre Arbeit vorzustellen?

Melanie Joy: Das mache ich sehr gerne. Ich möchte mich auch für dieses Interview bedanken. Ich freue mich sehr darauf, denn ich finde, dass VeganNews eine großartige Plattform ist und ich freue mich, ein Teil davon zu sein. Ich bin Psychologin, Autorin von sieben Büchern und Gründerin der gemeinnützigen Organisation Beyond Carnism. Bei Beyond Carnism arbeiten wir daran, das Bewusstsein für Karnismus zu schärfen. Dabei handelt es sich um ein – für viele Menschen weitestgehend unsichtbares –  Glaubenssystem, das Personen dazu bringt, auf widersprüchliche Art mit nicht-menschlichen Tieren in Interaktion zu treten und ihre Interessen aufgrund willkürlich gewählter Merkmale unterschiedlich zu berücksichtigen, sodass wir einige von ihnen als Haustitere schätzen und lieben, wohingegen wir als Gesellschaft andere ausbeuten und einige von ihnen essen. Wir arbeiten auch daran, vegan lebende Menschen sowie Vegan-Befürworter durch unser Center for Vegan Advocacy  (CEVA) zu unterstützen, indem wir darin unter anderem Schulungen für Aktivisten anbieten.

VeganNews: Wie sind Sie selbst vegan geworden und warum haben Sie angefangen, sich mit dem Thema der Tierrechte zu beschäftigen?

Melanie Joy: Ich habe mich seitdem ich mich zurückerinnern kann immer sehr um andere Tiere gekümmert und fühlte stets eine starke Verbindung zu ihnen. Ich stand auch meinem damaligen Hund namens Fritz sehr nahe. Da meine Familie oft umzog, war er in dieser Zeit die einzige Konstante in meinem Leben und für mich wie eine Art bester Freund. Aber wie die meisten Menschen bin auch ich damit aufgewachsen, gewisse andere Tiere ganz selbstverständlich zu essen. Ich hatte nie darüber nachgedacht, wie ich mit einer Hand meinen Hund streicheln konnte, während ich mit der anderen ein Stück Fleisch aß, obwohl dieses Fleisch einmal ein Tier war, das mindestens so empfindungsfähig und intelligent wie mein Hund gewesen war. All das änderte sich eines Tages im Jahr 1989: Ich war damals 23 Jahre alt und aß in einem Restaurant einen kontaminierten Hamburger und wurde daraufhin sehr krank. Ich landete dadurch sogar im Krankenhaus. Nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, konnte ich aus Ekel kein Fleisch mehr essen. Das war zu Beginn also keine bewusste, ethische Entscheidung, sondern lediglich eine persönliche Abneigung. So wurde ich sozusagen zufällig zur Vegetarierin. Als ich mich dadurch angegstoßen mehr und mehr mit dem Thema der Fleischindustrie beschäftige, war ich entsetzt über das Ausmaß des Leids, das all diesen Tieren widerfuhr. Kurz nach dieser Erfahrung lernte ich einen Veganer kennen, der mir von der Ausbeutung in der Milchindustrie erzählte, und kurz darauf wurde ich aus ethischen Gründen vegan. Was mich in gewisser Weise noch mehr schockierte als die Ausbeutung und das damit verbundene Tierleid, war die Tatsache, dass niemand, mit dem ich über das, was ich erfahren hatte, sprach, bereit war sich anzuhören, was ich zu sagen hatte. Leute sagten immer wieder Sätze wie: ‚Sag das nicht, du verdirbst mir mein Essen.‘ Manche nannten mich sogar eine ‚radikale, vegane Propagandistin‘. Derartige Aussagen kamen sogar aus Teilen meines Freundes- und Familienkreises; von Menschen, die vernünftig und mitfühlend waren. Personen, die sich selbst als tierlieb beschreiben würden, aber sie schalteten einfach ab, sobald ich anfing über die Nutztierhaltung zu sprechen. Im Zuge dessen wurde ich neugierig, welche psychologischen Mechanismen hinter dem Verhalten stecken, in diesem Kontext so widersprüchlich zu seinen eigentlichen ethischen Werten zu handeln. Ich spezialisierte mich infolge dessen auf die Psychologie von Gewalt und Gewaltlosigkeit und schrieb meine Doktorarbeit über die Psychologie des Tiereessens. Das hat mich dazu gebracht, dieses System unter dem Begriff des Karnismus zu beschreiben. Diese Arbeit mündete schließlich in meinem Buch »Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen«.

VeganNews: Sie waren selbst lange als Tierrechtsaktivistin aktiv und schulen sowohl digital als auch vor Ort seit Jahren vegane Aktivistinnen und Aktivisten. Was sind Ihre wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Zeit in Bezug auf Strategie und Zielsetzung der veganen Bewegung?

Melanie Joy: Eine der wichtigsten Lehren war schlicht und ergreifend, dass es wichtig ist, überhaupt Strategien und Ziele zu haben. Denn als ich anfing aktiv zu werden, kurz nachdem ich mehr über die Realität der Tierhaltung erfahren hatte, war ich jung, sehr leidenschaftlich und naiv. Ich dachte damals, die nächste Demo wird dabei helfen, die Tierausbeutung zu beenden. Ich engagierte mich ehrenamtlich, ging zu Demos und war Teil der New England Anti-Vivisection Society (Anti-Vivisektions-Gesellschaft Neuengland) und der Bostoner Gruppe der Feminists for Animal Rights (Feministen für Tierrechte). Als ich mir in dieser Zeit die Frage stellte, wie ich noch stärker zu einem gesellschaftlichen Wandel beitragen könnte, wurde mir klar, dass ich in meiner Position als Psychologiestudentin mehr für die vegane Bewegung tun kann, wenn ich anderen Aktivisten dabei helfe, ihre Arbeit noch effektiver zu gestalten und ihre Resilienzfähigkeit zu stärken, anstatt selbst als Einzelperson noch mehr Aktivismus zu betreiben. Ich habe mich im Rahmen dessen eingehend mit allem beschäftigt, was ich über sozialen Wandel finden konnte. Ich las Texte darüber, wie eine soziale Gerechtigkeitsbewegung funktioniert, was sie wachsen lässt und welche evidenzbasierten Methoden es für effektiven Aktivismus gibt. Ich versuchte ein Konzept zu entwickeln, um das alles sinnvoll zusammenzuführen, und schließlich wurde daraus mein erstes Buch „Strategic Action for Animals“.

VeganNews: Wie stehen aus Ihrer Sicht die Chancen, dass die Grundwerte des Veganismus in Zukunft zum vorherrschenden moralischen Konsens in unserer Gesellschaft werden?

Melanie Joy: Als jemand, der sich sehr intensiv mit sozialem Wandel beschäftigt hat, habe ich kaum Zweifel daran, dass der Veganismus irgendwann die vorherrschende Lebensweise sein wird. Wann das der Fall sein wird, kann ich jedoch nicht sagen. Der Zeitpunkt wird unter anderem von der Verfügbarkeit, dem Preis und der Qualität von veganen Alternativprodukten im Vergleich zu tierischen Lebensmitteln abhängen sowie von Unwägbarkeiten wie dem Verlauf des Klimawandels oder dem Auftreten weiterer Pandemien, die ebenfalls unser zukünftiges Essverhalten in erheblichem Maße beeinflussen werden.

VeganNews: Welche Projekte verfolgen Sie und ihre Organisation Beyond Carnism in naher Zukunft?

Melanie Joy: Wir haben an einem neuen Video über die Notwendigkeit, die sogenannte Nutztierhierhaltung zu einer Priorität unserer politischen Klimaziele zu machen, gearbeitet. Im Center for Effective Vegan Advocacy (CEVA) haben wir unsere Schulungen für effektiven veganen Aktivismus digitalisiert und in mehrere Sprachen übersetzt und bieten diese nun weltweit an. Wir haben auch einen neuen Podcast namens Just Beings gestartet, den ich gemeinsam mit der veganen Schauspielerin Evanna Lynch moderiere. Wir haben gerade unsere erste Staffel hinter uns und werden wahrscheinlich bis Mitte 2023 die nächste Staffel veröffentlichen. In 2023 erscheint außerdem mein neues Buch mit dem Titel »How to End Injustice Everywhere«.

VeganNews: Apropos Bücher: Gerne würden wir mit Ihnen im Rahmen dieses Interviews näher über Ihre bisherigen Bücher sprechen und dazu mit Ihrem bereits erwähnten ersten Buch »Strategic Action for Animals« aus dem Jahr 2008 beginnen. Worum genau geht es in diesem Buch und was gibt es darüber zu erzählen?

Melanie Joy: »Strategic Action for Animals« entstand aus dem Prozess, den ich als junge Aktivistin durchlief. Wenn man zum ersten Mal mit diesem Thema konfrontiert wird, möchte man alles in seiner Macht stehende tun, um die Ausbeutung der Tiere so schnell wie möglich zu beenden. Das führte mich zu der Frage: ‚Wie kann ich effektiver und effizienter arbeiten, um möglichst viel Gutes zu bewirken?‘ Ich war mir natürlich schon damals der Tatsache bewusst, dass die Tierrechtsbewegung über weitaus weniger Ressourcen verfügt, als beispielsweise die Fleischindustrie und andere Institutionen der Nutztierhaltung und dass es daher besonders wichtig ist, die richtigen Strategien zu wählen, um dennoch etwas bewirken zu können. Es wurde zu meiner Leidenschaft mehr darüber zu lernen, und so beschäftigte ich mich eingehend mit Fragen wie  ‚Was macht eine Organisation erfolgreich?‘ und ‚Was macht es wahrscheinlicher, dass ein Aktivist auf individueller Ebene erfolgreicher ist?‘ und schrieb dies in ein Buch als ein Ratgeber für andere Tierrechtsaktivisten.

VeganNews: Zwei Jahre später veröffentlichten Sie »Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen«. Wie kam es zu der Entstehung des Buches? 

Melanie Joy: Dieses Buch entstand auf Basis meiner Doktorarbeit, die sich mit dem Glaubenssystem beschäftigt, das Menschen dazu bringt, Tiere auf so widersprüchliche Art zu behandeln, wie es aktuell beim Großteil der Menscheit der Fall ist. Urspünglich waren diese Inhalte für ein einzelnes Kapitel in meinem ersten Buch „Strategic Action for Animals“ vorgesehen, aber mein damaliger Verleger wollte das Buch zwingend ohne dieses Karnismus-Kapitel veröffentlichen. Obwohl ich deswegen niedergeschlagen war, da ich befürchtete, dass dies dazu führen würde, dass die Forschung meiner Doktorarbeit von niemandem gelesen wird und in Vergessenheit gerät, habe ich das Kapitel letztendlich herausgestrichen. Eine gute Freundin ermutigte mich einige Zeit später dazu, aus dem herausgestrichenen Kapitel ein Buch zu machen und motivierte mich damit dazu, diese Inhalte weiter zu vertiefen. So entstand aus dem Kapitel, das mein Verleger ironischer Weise nicht wollte mein bis dato erfolgreichtes Buch. Einige der Kerninhalte des Buchs bespreche ich auch in meinem Ted-Talk, den man sich auf YouTube ansehen kann.

VeganNews: In 2017 erschien dann nach längerer Pause Ihr drittes Buch „Beyond Beliefs“. Was war der Grund für die lange Pause und was ist der inhaltiche Schwerpunkt dieses Werks?

Melanie Joy: Der Grund für die lange Pause war schlichtweg der Umstand, dass ich eigentlich nicht gerne Bücher schreibe. Nachdem ich »Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen« geschrieben hatte, sagte ich mir immer wieder: ‚Ich werde nie wieder ein Buch schreiben!‘ Allerdings lagen mir die Inhalte so sehr am Herzen, dass ich dieses Buch einfach nicht nicht schreiben konnte. Der Untertitel des Buchs bringt das Thema gut auf den Punkt: Es ist ein Ratgeber, mit dessen Hilfe vegan lebende Menschen ihre Beziehungen zu ihrer nicht-veganen Außenwelt verbessern können, da diese oft unter dem Unverständnis ihres Umfelds  leiden. Sie werden dann oft so wütend und frustriert, dass sie nicht so effektiv für die vegane Sache eintreten, wie sie es tun könnten. Leuten wird oft generell nicht beigebracht, wie man gesunde Beziehungen führt und viele Menschen haben auch abseits von ethischen Konflikten Probleme in ihren Beziehungen. Dazu kommt dann noch der Unterschied zwischen den beiden Ideologien und Lebensstilen – Veganismus und Karnismus. Das ist quasi wie ein Rezept für sehr schwierige Interaktionen, aber es ist lösbar und in diesem Buch zeige ich, wie.

VeganNews: Können Sie uns ein wenig darüber erzählen, was die Leute von Ihrem vierten Buch »Powerarchy« erwarten können?

Melanie Joy: »Powerarchy« ist sozusagen die Anwendung von »Beyond Beliefs« auf einer Metaebene. Als ich »Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen« geschrieben und dafür recherchiert habe, wurde mir klar, dass es sich beim zugrunde liegenden Glaubenssystem sozusagen um eine Blaupause für viele andere Glaubenssysteme in anderen Aspekten unserer Lebens handelt: Die Mechanismen des Karnismus, die in Bezug auf  das Essen von Tieren wirken, sind auch für andere soziale Ungerechtigkeiten verantwortlich. Vereinfacht gesagt: Auf einer Metaebene ist die Mentalität, die nicht-menschlichen Tieren schadet, die selbe, die uns dazu bringt anderen Menschen zu schaden. Wenn wir über die Psychologie des Karnismus sprechen, dann sind die Mechanismen dahinter vergleichbar mit jenen, die rassistische, sexistische oder andere unterdrückerische Strukturen in unserer Gesellschaft antreiben und festigen. Es geht bei all jenen um das Glaubenssystem einer Art moralischen Hierarchie, in der manche Individuen oder Gruppen auf Basis willkürlich gewählter Merkmale eine moralische Minderberücksichtigung erfahren. »Powerarchy« ist ein Buch über diese Mentalität, wie sie in verschiedenen Systemen zum Tragen kommt und wie wir sie überwinden können. 

VeganNews: Nur sechs Monate nach der Veröffentlichung von »Powerarchy« haben Sie Ihr fünftes Buch veröffentlicht: »Getting Relationships Right«. Wie kam es zu zwei Buchveröffentlichungen in so kurzer Zeit und worum geht es in diesem Buch?

Melanie Joy: Einiges aus meiner Recherche für „Powerarchy“ konnte ich nicht in dieses Buch integrieren und so hatte ich noch einige aus meiner Sicht überaus relevante, aber unveröffentlichte Inhalte übrig, aus denen im Nachgang dieses Buch entstand. Auch hier geht es um das Thema Beziehungen, aber auf einer breiteren Ebene und auch abseits des Veganismus. Aufgrund meiner Arbeit als Beziehungscoach wusste ich, dass es einen großen Bedarf an einem Buch über gesunde Beziehungen und das, was ich „Beziehungskompetenz“ nenne – also die Fähigkeit, einen gesunden Umgang miteinander zu pflegen –  gibt. Diese Kompetenz hilft uns in jeder Beziehung; in der Art und Weise,  wie wir mit anderen nicht-menschlichen Tieren in Beziehung treten, wie wir durch Selbstgespräche mit uns selbst in Beziehung treten, wie wir mit Gruppen an Menschen in Beziehung treten und so weiter. Dieses Buch soll den Menschen helfen zu erkennen, dass im Zentrum aller Arten von Veränderungen, für die wir uns in der Welt einsetzen die Beziehungsgefüge die Basis für jeden Wandel sind.

VeganNews: Im selben Jahr erschien auch Ihr Buch »The Vegan Matrix«. Können Sie uns den Titel erklären?

Melanie Joy: »The Vegan Matrix« ist ein Buch über das Verständnis von systemischer Unterdrückung und Privilegien innerhalb der veganen Bewegung und wie man diese verändern kann. Wenn Menschen vegan werden, haben sie sehr oft das Gefühl, dass sie die letzte Hürde  in Bezug auf den sozialen Wandel oder soziales Bewusstsein überschritten haben, weil sie Tiere in ihren Kreis des Mitgefühls aufgenommen haben. Es gibt diese Annahme, dass unser Mitgefühl in einer linearen Weise wächst, beginnend mit denen, die so sind wie wir, dann immer weiter hinaus, und am Ende stehen dann die nicht-menschlichen Tiere. Auch wenn es stimmt, dass Menschen dazu neigen, sensibler gegenüber Menschen zu sein, mit denen sie sich mehr identifizieren können, wird Mitgefühl sehr oft nicht auf diese lineare Weise kultiviert. Viele Menschen, die sich in der veganen Bewegung für Tierrechte einsetzen, haben nicht erkannt, dass es selbst innerhalb der veganen Bewegung noch andere Formen der Unterdrückung und Ungerechtigkeit gibt. Es geht dabei um Sexismus, Rassismus und andere „Ismen“ innerhalb der veganen Bewegung. Ich habe das Buch geschrieben, um Veganern zu helfen, Unterdrückung, Privilegien und Ungerechtigkeit besser zu verstehen und diese zu erkennen, um nicht ungewollt zu diesen Problemen beizutragen.

VeganNews: In 2020 erschien außerdem die 10-Jahres-Ausgabe von »Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen“ in einer überarbeiteten Version, das im Jahr 2022 auch in einer deutschen Übersetzung hierzulande erschien. Was hat sich verändert?

Melanie Joy: Das Buch wurde innerhalb der letzten Dekade in über 20 Sprachen übersetzt, die Grundpfeiler für meine Arbeit des letzten Jahrzehnts gelegt und auch heute noch halte ich die darin beschriebenen Prinzipien für wichtige Erkenntnisse. Dennoch brauchte das Buch nach zehn Jahren definitiv ein Update und das wurde mit dieser Jubiläumsausgabe erfüllt. Seither hat sich auch viel in der Wahrnehmung der veganen Bewegung im Mainstream geändert und auch das spiegelt sich im Buch wider. In der ersten Auflage habe ich zum Beispiel den Begriff „vegetarisch“ anstatt „vegan“ verwendet, weil Veganimus vor 2010 im Mainstream noch so wenig bekannt war. Obwohl ich im Buch klargestellt habe, dass ich mit vegetarisch eigentlich frei von Tierprodukten meine, habe ich es in der 10-Jahres-Auflage zu vegan geändert. Ich habe außerdem die Statistiken aktualisiert, ich habe ein Nachwort hinzugefügt, das die Entwicklung meiner Arbeit seit der Erstauflage des Buchs darstellt und ich habe auch die Theorie des Karnismus weiter ausgeführt. Außerdem wurde das Buch um ein Vorwort des Autors Yuval Noah Harari [Autor der Welt-Bestseller „Sapiens“ und „Homo Deus“] erweitert.

VeganNews: Im Jahr 2023 wird ein weiteres Buch erscheinen. Können Sie uns ein wenig darüber erzählen, auf welche Art von Buch wir uns freuen können?

Melanie Joy: Mein neues Buch, das demnächst auf Englisch erscheint, heißt »How to End Injustice Everywhere« und handelt von der allgemeinen Mentalität und den Strukturen, die allen Formen von Ungerechtigkeit zugrundeliegen. Es richtet sich an jeden, der sich für eine bessere Welt für Menschen, Tiere oder den Planeten einsetzt. Wir haben »Powerarchy« aus dem Druck genommen, denn seit der Veröffentlichung von »Powerarchy« ist meine Theorie diesbezüglich gewachsen. Ich habe die Inhalte von »Powerarchy« also überarbeitet und im Grunde zu einem breiteren und substantielleren, umfassenderen Buch gemacht, zu dem „How to End Injustive Everywhere“ wurde. In dem Buch geht es vor allem darum, wie wichtig es für uns ist, die gemeinsamen Strukturen zu erkennen, die allen Formen der Ungerechtigkeit und Unterdrückung zugrunde liegen, denn wenn wir das nicht tun, werden wir sehr wahrscheinlich selbst in manchen Bereichen zu dem Problem, das wir in anderen Beriechen versuchen zu verändern. Dies ist auch ein Aufruf an alle Fürsprecher, sich über die Kernanliegen ihres Aktivismus hinweg zu vereinigen. Auch wenn wir uns nicht für alle wichtigen Anliegen gleichzeitig einsetzen können, so können wir doch vereint arbeiten und uns dabei hoffentlich gegenseitig unterstützen. Letzten Endes reicht es nicht aus, nur zu fragen, wer wen unterdrückt oder missbraucht, sondern wir müssen darüber nachdenken, wie und warum überhaupt unterdrückt und missbraucht wird. Wenn wir eine bessere Welt für alle schaffen wollen, müssen wir die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen, grundlegend verändern.

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