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12. Februar, 2022 / Katharina Frauenknecht

Protein bei veganer Ernährung: Die wichtigsten Informationen

YouTube-Video zur veganen Proteinversorgung

Entgegen der populären, aber falschen medialen Meinung, dass eine vegane Ernährung den Proteinbedarf des Menschen nicht ausreichend decken kann, wissen wir bereits aus Untersuchungen aus den 40er Jahren das Gegenteil. Schon in 1946 berichtete der Ernährungswissenschaftler Dr. David Mark Hegsted von seinen Experimenten, die zeigten, dass eine auf Getreide basierende, rein pflanzliche Ernährung den Proteinbedarf des Menschen bei ausreichender Kalorienzufuhr adäquat decken kann.1 Die bis heute andauernde, aber überholte Kritik an pflanzlichen Proteinen fußt dabei in erster Linie auf frühen Tierversuchen, in denen Nagetieren unterschiedliche Protein-Arten verfüttert wurden. Anhand deren Wachstum wurden dann Rückschlüsse auf die Proteinqualität gezogen. 

Da pflanzliche Proteine aber oft von jenen Aminosäuren weniger aufweisen, an denen Ratten einen höheren Bedarf als Menschen haben, können diese Experimente irreführend sein und pflanzliches Protein für den Menschen fälschlicherweise als minderwertig darstellen.2

Proteinmangel = Kalorienmangel

Im Grunde gibt es nur zwei Situationen, in denen eine vegane Ernährung tatsächlich zu einem ausgeprägten Proteinmangel bzw. einer Unterversorgung mit essenziellen Aminosäuren führen kann. Zum einen dann, wenn schlichtweg die Kalorienzufuhr nicht ausreichend gewährleistet wird und zum anderen in veganen Speiseplänen, in denen pflanzliche Proteine fast ausschließlich aus ein und derselben Quelle stammen. Wenn man sich ausgewogen vegan ernährt und Hülsenfrüchte (inkl. Sojaprodukte wie Tofu, Tempeh etc.), Vollkorngetreide, vegane Fleischalternativen auf Getreide- oder Hülsenfruchtbasis, Nüsse und Samen in den Speiseplan integriert und dabei den Kalorienbedarf deckt, ist es rein rechnerisch quasi unmöglich einen Protein- bzw. Aminosäuremangel zu riskieren. Auch ohne Fleischersatzprodukte kann die vegane Proteinversorung ausschließlich über vollwertige pflanzliche Lebensmittel sichergestellt werden.

Abb. 1: Darstellung der biologischen Wertigkeit des Weizenproteins

Im Falle einer ausreichend vielfältigen veganen Kost können sich diese pflanzlichen Proteinträger untereinander ergänzen und ihre jeweiligen fehlenden Aminosäuren gegenseitig ausgleichen und somit die sogenannte biologische Wertigkeit der veganen Proteinzufuhr erhöhen.3 Eine bildliche Darstellung der biologischen Wertigkeit am Beispiel des Weizenproteins gibt Abbildung 1 in diesem Blogartikel.

Proteinkombinationen

Abb. 2: Lysingehalt ausgewählter pflanzlicher Lebensmittel

Grundsätzlich ist es zwar richtig, dass alle pflanzlichen Proteine alle acht bzw. neun essenziellen Aminosäuren enthalten, aber manche von ihnen oft (isoliert betrachtet) in einer zu geringen Menge, sodass sie fälschlicherweise vereinfacht als „unvollständig“ bezeichnet werden. Würde man in einer isokalorischen Ernährung beispielsweise ausschließlich Weizen essen, wäre man im Verhältnis zum Bedarf des menschlichen Organismus tatsächlich nicht optimal mit gewissen Aminosäuren wie z. B. Lysin versorgt (siehe Abbildung 1). Fügt man allerdings ein sehr lysinreiches Lebensmittel aus der Gruppe der Hülsenfrüchte hinzu, erhöht dies die biologische Wertigkeit des Weizenproteins drastiscn. Traditionelle Länderküchen tun genau das: Sie kombinieren lysinarmes Getreide mit lysinreichen Hülsenfrüchten. Sei es Reis und Soja in Asien oder Mais und Bohnen in Südamerika. Abbildung 2 zeigt einige der lysinreichsten Lebensmittel in der veganen Ernährung. Diese Kombination muss allerdings nicht zwingend innerhalb einer Mahlzeit geschehen.

Schon 1994 wurde in einer wissenschaftlichen Publikation darauf hingewiesen, dass es nicht auf die Aminosäurenzufuhr innerhalb einer Mahlzeit, sondern innerhalb eines gesamten Tages ankommt.4 Der Körper verfügt über einen Speicher an freien Aminosäuren in der Muskulatur, in dem er gewisse Aminosäuren zwischenspeichern kann. Das heißt, dass beispielsweise die Aminosäuren aus dem Vollkornbrot am Morgen auch noch die des Tofus aus der Gemüsepfanne am Abend komplettieren und aufwerten können. Vertiefende Informationen hierzu gibt es im YouTubeVideo zur Optimierung der veganen Proteinversorgung. 

Protein-Zufuhrempfehlungen

Die offiziellen Protein-Zufuhrempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) betragen im Rahmen einer Mischkost 0,8 g pro Kilogramm Körpergewicht. Eine 60 kg schwere Beispielperson würde demnach laut DGE 48 g Protein pro Tag benötigen. Obwohl eine Metaanalyse zum Thema der veganen Proteinzufuhr ergab, dass auch im Rahmen einer ausschließlich pflanzlichen Proteinzufuhr bei der Kombination unterschiedlicher Komplementärproteine (z.B. Getreide mit Hülsenfrüchten) die Bedarfsdeckung mit einer Zufuhrhöhe laut DGE möglich ist,5 empfehlen Publikationen gerade bei rein pflanzlicher Ernährung eine Erhöhung um 10-25%.6,7 Auch ausführliche Literatur-Reviews für mischköstlich essende Menschen empfehlen ohnehin höhere Proteinzufuhren für optimale Leistungsfähigkeit selbst für Nicht-Athleten,8 sodass nichts dagegen spricht auf Nummer sicher zu gehen und gerade bei veganer Ernährung eine etwas höhere Zufuhr in Höhe von etwa einem Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht anzupeilen, wie auch im vertiefenden YouTube-Video zu den Proteinempfehlungen für vegan lebende Menschen empfohlen wird.

Abb. 3: Proteingehalt ausgewählter pflanzlicher Lebensmittel

Die Proteinzufuhrempfehlungen im Laufe des Lebenszyklus werden in Tabelle 1 aufgelistet und Abbildung 3 zeigt die Proteingehalte ausgewählter veganer Lebensmittel zur bestmöglichen Bedarfsdeckung.

Proteinreiche vegane Mahlzeiten

Um die Proteinversorgung für vegan lebende Menschen (vor allem für Personen mit dem Ziel des veganen Muskelaufbaus) sicherzustellen, gilt es einen besonderen Fokus auf den regelmäßigen Verzehr von Hülsenfrüchten (inkl. Tofu, Tempeh, Sojaschnetzel etc.), Seitan sowie hochwertigen veganen Fleischersatzprodukten zu legen. Proteinreiche Rezepte gibt es auf YouTube unter anderem in Form der Rezeptvideos zum Protein-Smoothie von Niko Rittenau, den drei Tofu-Rezepten von Alexander Flohr oder Sebastian Copiens Tempeh Buletten mit Quinoa und Palak. Viele weitere Rezepte voller pflanzlicher Proteine gibt es in unserer Rezeptdatenbank unter der Filterkategorie „proteinreich“.

Viele weitere vertiefende Informationen zum Thema der Proteinversorgung bei veganer Ernährung gibt es im Buch „Vegan-Klischee ade!“ von Niko Rittenau sowie in Nikos Videos rund um das Thema der veganen Proteinzufuhr auf YouTube. Tabelle 2 listet abschließend die häufigsten Vorurteile gegenüber der veganen Ernährung in Bezug auf die Proteinzufuhr auf und berichtigt diese kurz und knapp.

VorurteilRealität
Die vegane Ernährung liefert nicht genügend Protein.► Eine ausgewogen zusammengestellte vegane Kost liefert bei ausreichender Kalorienzufuhr alle essenziellen Aminosäuren in ausreichender Menge und kann daher den Proteinbedarf decken.
Athleten können ihren erhöhten Proteinbedarf nicht vegan decken.► Positionspapiere wie jenes der Academy of Nutrition and Dietetics stellen klar, dass auch Athleten jeder Sportart ihren erhöhten Proteinbedarf rein pflanzlich decken können und viele erfolgreiche vegane Athleten leben es darüber hinaus tagtäglich vor.
Tierische Proteine sind hochwertiger als pflanzliche.► Isoliert betrachtet haben pflanzliche Proteine eine geringere biologische Wertigkeit als tierische. Jedoch haben viele der Messmethoden aufgrund ihrer starken Limitierungen nur bedingte Aussagekraft und durch die Kombination von unterschiedlichen pflanzlichen Proteinträgern innerhalb des Tages kann das Aminosäurespektrum so weit aufgewertet werden, dass es ebenwürdig mit tierischem ist.
Zur Qualitätsverbesserung müssen pflanzliche Proteine zwingend innerhalb einer Mahlzeit kombiniert werden.► Die Aminosäuren unterschiedlicher Proteine können sich im Laufe des gesamten Tages ergänzen und müssen nicht zwingend innerhalb einer Mahlzeit zusammen zugeführt werden.
Tab. 2: Vorurteile gegenüber der Proteinversorgung bei veganer Ernährung​

Autor: Niko Rittenau
Titel: Vegan-Klischee ade!
Verlag: Ventil Verlag
ISBN: 3954531895

Quellen

  1. Munro, H. N. (1971). FAO/WHO ad hoc Committee of Experts on Energy and Protein: Requirements and Recommended intakes: Principles and Methods of Estimating Protein Requirements for Maintenance. Verfügbar unter https://bit.ly/2Ci7e9F ↩︎
  2. Hoffman, J. R. & Falvo, M. J. (2004). Protein – Which is Best? J Sports Sci Med, 3(3), 118–130 ↩︎
  3. Woolf, P. J., Fu, L. L. & Basu, A. (2011). Protein: Identifying Optimal Amino Acid Complements from PlantBased Foods. PLoS One, 6(4), e18836 ↩︎
  4. Young, V. R. & Pellett, P. L. (1994). Plant proteins in relation to human protein and amino acid nutrition. Am J Clin Nutr, 59(5), 1203–1212. ↩︎
  5. Rand,W.M., Pellett,P.L. &Young,V.R. (2003). Metaanalysis of nitrogen balance studies for estimating protein requirements in healthy adults. Am J Clin Nutr, 77(1), 109–127. ↩︎
  6. Yáñez, E., Uauy, R., Zacarías, I. & Barrera, G. (1986). Long- term validation of 1 g of protein per kilogram body weight from a predominantly vegetable mixed diet to meet the requirements of young adult males. J Nutr, 6 (5), 865–72. ↩︎
  7. Mariotti, F., (2018). Plant Protein, Animal Protein, and Protein Quality. In: Mariotti, F., Hrsg.: Vegetarian and Plant-Based Diets in Health and Disease Prevention. Cambridge: Academic Press, 621–637. ↩︎
  8. Examine. (2020). Deeper Dive: Elevated protein intake can benefit lean mass. Zugriff unter https://bit.ly/34yLb2M ↩︎

Weiterführende Informationen

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