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29. März, 2023 / Katharina Frauenknecht

Hitzige Debatte um Aussagen zu veganen Produkten von "Ernährungs-Doc" Matthias Riedl bei Stern TV

In der Folge vom 19. März der Sendung „Stern TV am Sonntag“ warnte der Internist und Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl, bekannt aus der Sendung Ernährung-Docs im NDR, vor veganen Ersatzprodukten. „Die meisten veganen Ersatzprodukte sind rein chemisch und nichts anderes als ultrahochverarbeitete Fertigprodukte.“ Das sei insbesondere deshalb so heimtückisch, weil die veganen Produkte als Ersatz für Fleisch oder andere tierische Produkte dienen sollen. „Dieser Hype nach Ersatzprodukten ist ungesund bis tödlich, hat nichts mit gesunder Ernährung zu tun – und wird dann auch noch total überteuert verkauft“, so Riedl. Mehrere Influencer wie Philipp Steuer und  „Yammibean“ als auch die Rügenwalder Mühle reagierten auf die Aussagen Riedls. Auch VeganNews-Gründer und Ernährungswissenschaftler Niko Rittenau gab ein Statement dazu bei Buzzfeed und RTL News ab.

„Der gesundheitliche Wert von veganen Ersatzprodukten für Fleisch und Käse kann nicht pauschalisiert werden, da es innerhalb dieser Produktkategorie große qualitative Unterschiede gibt. Fakt ist jedoch, dass hierzulande zum aktuellen Zeitpunkt der Nährwert nahezu aller veganen Fleisch- und Käsealternativen schlechter als jener ihrer Äquivalenzprodukte ist. Dies hat aber nichts damit zu tun, dass Sie „chemisch“ oder „hoch verarbeitet“ sind, sondern dass im Rahmen ihres Produktionsprozesses ein unzureichendes Augenmerk auf eine adäquate Nährstoffanreicherung mit jenen Nährstoffen gesetzt wird, die in ihren tierischen Äquivalentprodukten vorkommen. In der Nutztierhaltung wird den Tieren eine Reihe an Nährstoffen über die Futtermittel beigegeben, damit sie gut versorgt sind und somit auch ihr Fleisch bzw. ihre Milch und Eier nährstoffreich sind. Vegane Tierproduktalternativen können den Umweg des Tiers in der Nährstoffanreicherung umgehen und können direkt mit diesen wertvollen Nährstoffen angereichert werden. Das wird in der DACH-Region jedoch aktuell kaum gemacht und daher ist es korrekt, dass diese Lebensmittel bis zum Zeitpunkt der nährstoffoptimierten Produktion aus ernährungswissenschaftlicher Sicht kein adäquater Ersatz sind.“, sagte Niko Rittenau in seinem Statement.

Buzzfeed konfrontierte den Fleisch- & Fleischersatzhersteller Rügenwalder Mühle mit dem Statement des Ernährungswissenschaftlers und VeganNews-Gründers. Die größte Konsumentengruppe ihrer Produkte seien Flexitarier und das Unternehmen gehe davon aus, dass die notwendigen Anteile von beispielsweise Eisen oder Vitamin B12 über die Mischkost gedeckt werden. Zudem befinde sich unter den Konsumenten auch eine große Zahl an Kindern und daher seien sie eher vorsichtig bei den Überlegungen, die Produkte zusätzlich mit Nährstoffen anzureichern. „Solange unsere größte Konsumentengruppe die der Flexitarier bleibt, bleiben wir auch bei dieser Entscheidung.“, sagte Claudia Hauschild, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei der Rügenwalder Mühle. 

Riedl selbst reagierte auf Anfrage von RTL News auf die geäußerte Kritik. „Wir müssen, so meine Auffassung, mehr auch darauf achten, was uns direkt schaden kann.“ Es gebe zahllose Studien, die zunehmend den Verdacht erhärten, dass der Verzehr von ultrahochverarbeiteten Lebensmitteln nicht nur unserer Darmflora schade, sondern auch das Risiko für Herzkreislauferkrankungen erhöhe. „Da vegane Ersatzprodukte sich aber sehr unterscheiden, von gesund bis hin zu chemisch sehr belastet, wird es solche Studien auch nie geben.“ Vegane Produkte, so Riedl, kommen mit einem Gesundheitsanspruch und sollten daher keine gesundheitsgefährdenden Substanzen enthalten. „Der Verbraucher greift ja gerade zu veganen Produkten, um sich gesünder zu ernähren. Vegane Lebensmittel gibt es aber auch mit richtigem Gemüse als Zutaten, ohne viel Chemie. Darum ging es. Die in der Sendung gezeigten Produkte waren allesamt ungesund. Eine bedarfsdeckende Ernährung lässt sich mit den ungesunden, veganen Ersatzprodukten eben nicht erzielen.“

Riedl’s Annahme, Verbraucher würden vegane Fertigprodukte wählen, weil sie sich gesünder ernähren wollen, löste bei vegan lebenden Menschen Irritationen aus. Schließlich zeigen zahlreiche Verbraucherumfragen wie beispielsweise der Fleischatlas der Heinrich-Böll-Stiftung, dass die Hauptgründe für die Kaufentscheidung für pflanzliche Ersatzprodukte Neugier, Tierschutz und Umweltschutz seien. Laut einer im Jahr 2016 durchgeführten Umfrage der deutschen Verbraucherzentralen mit 6.000 Verbrauchern kommt es darauf an, wen man fragt. Die wesentlichen Kaufmotive für Alternativprodukte waren Tierschutz (42 Prozent), ethische Gründe (28 Prozent) sowie Gesundheit (11 Prozent). Die Priorität der Beweggründe für den Kauf von Ersatzprodukten unterschied sich jedoch je nach Ernährungsweise stark. Während Veganer und Vegetarier den Tierschutz (44 bzw. 51 Prozent) und ethische Gründe (36 bzw. 27 Prozent) am wichtigsten fanden, spielte für Flexitarier zusätzlich noch der gesundheitliche Aspekt eine Rolle. Für Mischköstler war die Gesundheit das hauptsächliche Kaufmotiv für Ersatzprodukte.

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