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8. August, 2023 / Elena Arnold

Kommentar zu den reißerischen Schlagzeilen rund um eine angeblich “verhungerte Veganerin”

In der letzten Woche hat sich eine Schlagzeile verbreitet, in der behauptet wird, eine Veganerin sei kürzlich verhungert. Da uns dieses Wording direkt als reißerisch auffiel, haben wir uns auf die Suche nach dem Ursprung dieser News gemacht und möchten die Hintergründe dazu beleuchten.

Googelt man aktuell die Stichworte “Veganerin gestorben” findet man allerlei Schlagzeilen – allen voran eine von der Bild-Zeitung: “Veganerin stirbt nach Radikal-Diät”. Hinter der polarisierenden Schlagzeile findet man allerdings zumindest Links zu den englischen Originalquellen: Die Daily Mail hat vor einer Woche, am 2. August 2023, als eine der ersten englisch-sprachigen Medien, über den Todesfall der russischen Influencerin Zhanna Samsonova berichtet. Bei Instagram warb sie unter dem Namen @rawveganfoodchef für einen roh-veganen Lebensstil. Sie befand sich in den letzten Wochen auf einer Rundreise durch Asien.

Im Alter von 39 Jahren ist sie Ende Juli laut Berichten der Familie tragischerweise auf einer Intensivstation in Thailand gestorben. Laut ihrer Mutter sei sie einem cholera-ähnlichem Infekt erlegen, eine genaue Todesursache ist laut Medienberichten allerdings noch nicht geklärt, da ihr Leichnam zur Feststellung erst nach Russland überführt werden soll. Die vegane Ernährung habe Samsonovas Körper, laut ihrer Mutter, zudem zusätzlich geschwächt.
Den Tod der noch jungen Frau bedauern wir.

Die Aufklärung der Herkunft der “Veganerin verhungert”-Schlagzeile ist uns vor allem deshalb wichtig, weil im Dunstkreis dieser negativen, reißerischen Berichterstattung rund um eine vegane Lebensweise wieder mittlerweile veraltete Klischees bestärkt werden: Unter den Top-Kommentaren unter dem letzten Instagram-Post von Samsonova finden sich Kommentare, die gegen eine vegane Ernährung im Allgemeinen werben. Der User @vinzentprice kommentierte zum Beispiel: “She might have had an eating disorder but raw veganism killed her. Stop denying the dangers of veganism.”

Es ist essentiell hier zwischen einer veganen Ernährung, einer „roh-veganen“ Ernährung und essgestörtem Verhalten zu unterscheiden.

Ob Frau Samsonova an einer Essstörung litt, ist nicht bewiesen. Allerdings lassen sich anhand der zitierten Berichte von Freunden und Familie einige Muster erkennen, die auf eine Essstörung rückschließen lassen. So habe Samsonova sich generell vehement geweigert, etwas anderes als rohe Früchte und Gemüse zu essen, auch auf Anweisungen von Ärzten und ihrem Umfeld hin, die sich um ihre Gesundheit sorgten. Samsonovas Gewicht war gegen Ende ihres Lebens kritisch niedrig. Angeblich habe sie außerdem in den sechs Jahren vor ihrem Tod auch kein Wasser mehr konsumiert, sondern nur Fruchtsäfte getrunken.

Von einer roh-veganen Ernährungsform kann man zunächst einmal halten, was man möchte. Es gibt sowohl zahlreiche Erfahrungsberichte von Menschen, denen diese Ernährungsform deutliche gesundheitliche Vorteile gebracht hat, als auch zahlreiche Erfahrungsberichte – teils von denselben Menschen – die erzählen, dass eine roh-vegane Ernährung sie langfristig krank gemacht hat.

Was allerdings nicht von der Hand zu weisen ist, ist der Fakt, dass eine durchschnittliche, ausgewogene vegane Ernährung sehr wenig mit einer roh-veganen Ernährung zu tun hat, auch wenn die sehr ähnliche Bezeichnung bei wenig-informierten Menschen erst einmal ein anderes Bild erwecken kann.

Die Definition einer veganen Ernährung ist eine Ernährung „frei von tierischen Produkten“. Mit einer Diät ist diese Ernährungsform erstmal nicht zu vergleichen, auch wenn dieser Vergleich fälschlicherweise oft gezogen wird. Denn der Verzicht, den Veganer*innen, zumindest im Einklang mit der Definition der Vegan Society, auf die wir grundsätzlich verweisen, eingehen, ist einer, der in ethischen und umweltschonenden Gründen verankert ist. Eine restriktive Diät ist hingegen laut Duden eine “auf die Bedürfnisse eines Kranken, Übergewichtigen o. Ä. abgestimmte Ernährungsweise”. Eine ausgewogene, vegane Ernährung hat somit, trotz eines inhärenten Verzichts, nichts mit einer restriktiven Ernährungsweise oder gar Diät zu tun.

Es gibt darüber hinaus auch zahlreiche vegan-lebende Menschen, die sich dafür aussprechen, Veganismus nicht (mehr) als gesunde Ernährungsform zu bewerben, sondern in Ernährungsfragen den abgrenzenden Begriff “pflanzenbasiert” zu verwenden. Dieser wird überwiegend verwendet, wenn man von einer Ernährung spricht, die aus diätetischen Gründen auf tierische Produkte verzichtet.

Daraus resultierend kann Frau Samsonovas Fall nicht als seriöses Negativbeispiel für eine „lebensgefährliche vegane Ernährung“ herangezogen werden – wie es viele Schlagzeilen in den letzten Tagen gemacht haben. Vielmehr müsste in ihrem Fall über einen bedauerlichen Tod einer vermutlich essgestörten Person, die sich roh und pflanzenbasiert ernährt hat, gesprochen werden.

Abschließend ist es uns auch wichtig zu erwähnen, dass wir uns darüber bewusst sind, dass Defizite, auch in der durchschnittlichen veganen Ernährung auftreten können und aktuell in der gesamten veganen Szene heiß diskutiert werden. Wir beschäftigen uns schon mit der Thematik und freuen uns, euch bald tiefere Einblicke in den aktuellen Stand der Wissenschaft geben zu können.

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